Wir sind eine Weltstadt, dachte Julius Blüthner und sah aus dem Fenster. Leipzig lag in tristem Grau an jenem Abend im November 1853, doch Blüthners Kopf war voller Farben. Das ganze letzte Jahr hatte er den einen grossen Gedanken in sich getragen, viele schlaflose Nächte verbracht. Wir sind wie London, Paris oder Wien. Nie waren wir so selbstbewusst, so ehrgeizig und weltoffen. Das Klima stimmt, ich muss es einfach tun. Er ging zum Spiegel, neigte den Kopf etwas zur Seite, räusperte sich und wiederholte zum ungezählten Mal jenen Satz, den er die letzten Monate immer wieder zu sich selbst gesagt hatte: „ich werde neue Fortepianos und Flügel deutscher und englischer Construction anfertigen - und alsdann verkaufen.“
1.660 Taler, zwei Neugroschen und eineinviertel Pfennig. Das Geld stimmt, damit komme ich über den Winter. Damit bezahle ich meine drei Tischler und die Miete der Werkstätten - doch, sicher, damit komme ich über den Winter. Zehn Flügel sind das Ziel – im ersten Jahr. Und ein, vielleicht zwei, tafelförmige Pianos. Das walte Gott! Und dann – an schlaflose Nächte werde ich mich gewöhnen. Ich beginne um vier Uhr morgens und arbeite bis elf Uhr nachts. Ich werde die besten Klaviere der Welt bauen. Und dann wird das gut gehen, ganz bestimmt. Er räusperte sich erneut. Und jetzt etwas feierlicher, bitte, etwas bestimmter: „ich werde neue Fortepianos und Flügel deutscher und englischer Construction anfertigen - und alsdann verkaufen!“
Nur fünf Monate später, zu Ostern 1854, betrat ein gewisser Professor Weber aus Leipzig die Werkstatt und kaufte den ersten Blüthner-Flügel der Firmengeschichte.
weiterlesen